Texte und Gedanken

Warum wir meditieren, über spirituelles Leben und das "Erwachen"

Was ist Spiritualität? Es gibt keine eindeutige Interpretation dieses Begriffes. Jeder, der darüber nachdenkt wird ihn für sich u. U. anders auslegen. Einer meiner Yogalehrer brachte die Definition, dass Spiritualität die geistige Durchdringung des Alltags sei. Das ist schon einmal eine sehr grundlegende Definition. Ich möchte noch einige andere Aussagen zum Begriff Spiritualität zitieren, die für mich auch sehr stimmig sind: Abt Odilo Lechner: "Spiritualität ist eine Grundhaltung des Menschen, die das ganze Leben tragen kann, dass mein Leben eine Richtung hat, die aus meinem Herzen, aus meiner Seele kommt". Der Psychologe Rudolf Sponsel definierte Spiritualität als mehr oder minder bewusste Beschäftigung mit Sinn- und Wertfragen des Daseins, der Welt und der Menschen und besonders der eigenen Existenz und seiner Selbstverwirklichung im Leben.
Der Mediziner Arndt Büssing definiert: "Mit dem Begriff Spiritualität wird eine nach Sinn und Bedeutung suchende Lebenseinstellung bezeichnet, bei der sich der/die Suchende seines/ihres "göttlichen" Ursprungs bewusst ist....."
Eine der m. E. wichtigsten, grundlegendsten überkonfessionellen spirituellen Praktiken ist die Meditation.
Alan Watts, britischer Religionsphilosoph und hervorragender Kenner des Zen-Buddhismus, gestorben 1973, einer der wichtigen „Gurus“ der amerikanischen 68er-Bewegung und einer meiner Lieblingsautoren sagt über den Grund des Meditierens (und spricht mir damit aus dem Herzen):
"Ich möchte mit der Wirklichkeit in Berührung kommen: Dies ist der eigentliche Grund des Meditierens."
Er sagt weiter:" Eigentlich hat die Meditation weder einen Grund noch ein Ziel..... Falls man also mit einer Absicht meditiert, etwa, um die Intelligenz zu steigern oder den eigenen Charakter zu verbessern oder um das Leben besser meistern zu können, dann meditiert man überhaupt nicht, weil man die Zukunft im Auge hat. Die Zukunft ist eine Vorstellung - sie existiert nicht! So etwas wie ein "Morgen" gibt es nicht! Und so etwas wird es nie geben, denn Zeit findet immer jetzt statt.... Ich möchte Sie an dieser Stelle auf den wesentlichen Grundsatz aufmerksam machen, dass das Meditieren immer etwas Erfreuliches sein soll und nicht etwas, was man wie eine eiserne Pflicht tut. Man meditiert aus keinem anderen Grund, als weil man Freude daran hat.... Sie (die Meditation) ist unmittelbares Erleben der Gegenwart, ein Mitschwingen im ewigen Jetzt. Sie führt uns in einen Zustand des Friedens, in dem wir verstehen können, dass das Ziel des Lebens, der Ort, an dem gerade etwas läuft, hier und jetzt ist."

Quelle: Alan Watts: Meditation, Goldmann, 1984


Zen-Meister Foyan: "Eigentlich gibt es nichts, dass einem beigebracht werden müsste, nichts zu verdauen und zu diskutieren. Aber weil man sich selbst nicht glaubt, packt man seine Sachen und macht sich auf den Weg in anderer Leute Häuser, interessiert sich für Zen, Tao, Mysterien und Erleuchtung, wendet sich an Buddhas, Meister und Lehrer. Man glaubt sich auf der Suche nach dem Absoluten und macht daraus eine Religion. Aber im Grunde irrt man blind umher. Je angestrengter man herumläuft, desto weiter ist man vom Ziel entfernt.

Quelle: Jack Kornfield: Tor des Erwachens, Kösel-Verlag



Meister Linji, 18. Unterweisung: "Mönche, wonach sucht ihr? Gegenwärtig steht ihr vor mir und lauscht dem Dharma. Es ist leuchtend und klar. Ihr braucht von nichts abhängig zu sein, und weil es euch an nichts fehlt, müßt ihr nach nichts suchen. Wie ich sehe, gibt es nicht viel zu tun. Seid ganz natürlich - legt eure Robe an, esst euer Essen und verbringt die Zeit damit, nichts zu tun."

Quelle: Thich Nhat Hanh: Aufwachen zu dem, der du bist, Fischer-Verlag



Ein Mann wurde einmal gefragt,
warum er trotz seiner vielen
Beschäftigungen
immer so gesammelt sein könne.

Dieser sagte:
Wenn ich stehe, dann stehe ich –
wenn ich gehe, dann gehe ich –
wenn ich sitze, dann sitze ich –
wenn ich esse, dann esse ich –
wenn ich spreche, dann spreche ich…

Da fielen ihm die Fragesteller ins Wort
und sagten:
Das tun wir auch,
aber was machst du noch
darüber hinaus?

Er sagte wiederum:
Wenn ich stehe, dann stehe ich –
wenn ich gehe, dann gehe ich –
wenn ich sitze, dann sitze ich –
wenn ich esse, dann esse ich –
wenn ich spreche, dann spreche ich…

Wieder sagten die Leute:
Das tun wir doch auch.

Er sagte aber zu ihnen:
Nein,
wenn ihr sitzt, dann steht ihr schon,
wenn ihr steht, dann lauft ihr schon,
wenn ihr lauft, dann seid ihr schon am Ziel…

Quelle: unbekannt, vermutlich aus dem Zen-Buddhismus



Als ich Mitte der 80er Jahre begann, mich mit der buddhistischen Philosophie zu befassen, lernte ich natürlich auch bald die Meditation und die Achtsamkeitspraxis kennen. Neben dem Buddhismus befasste ich mich auch mit anderen Religionen, Lehren und Philosophien wie dem Hinduismus, dem Taoismus, der Theosophie usw., die bis heute wichtige Begleiter in meinem Leben sind. Ebenso begegnete mir der obige Text, der vermutlich aus dem Buddhismus stammt. Mir wurde dann aufgrund des Textes klar, worum es in der Meditation grundsätzlich geht, was ihre Essenz ist:

DIE ACHTSAMKEIT AUF DEN MOMENT ZU RICHTEN, AUF DAS HIER UND JETZT

Wenn wir den Entschluss fassen, uns in die Meditation einzuüben, wollen wir sie vielleicht in unsere spirituelle Praxis integrieren (Mantra-Meditationen oder andere Praktiken aus dem Buddhismus oder Hinduismus usw.), werden aber eventuell auch zunächst einen konkreten Grund, einen Anlass dafür haben: wir wollen z. B. ruhiger, gelassener, bewusster, präsenter im Moment werden, stressigen Situationen besser begegnen können usw.. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Studien in Herz-Kliniken und in Reha-Maßnahmen für Patienten mit Bluthochdruck belegt haben, dass regelmäßige Meditation den Blutdruck signifikant senken kann. Weiter ist bewiesen, dass auch die Funktionen des Gehirnes positiv beeinflusst werden.

Im besten Sinne geht es aber aus meiner Sicht eigentlich nicht so sehr darum danach zu fragen, ob Meditation Sinn oder keinen Sinn macht, denn ich meditiere, weil ich meditiere, weil ich meditiere….. Wenn wir längere Meditationspraxis haben, wird sich diese Haltung vermutlich von selbst einstellen, ebenso wie die positiven Wirkungen.


Ob wir nun als Teil unserer spirituellen Praxis oder aus gesundheitlichen Gründen meditieren, Meditation und Achtsamkeit (diesen Begriff wollen wir zunächst allgemein betrachten), gehören untrennbar zusammen weil es in der ursprünglichsten Form der Meditation oder grundsätzlich immer darum geht, im Moment zu sein, unsere Achtsamkeit auf das Hier und Jetzt zu richten und zu versuchen, nicht abzuschweifen zu anderen Gedanken, und wenn sie auftreten, nicht an ihnen festzuhalten, sondern sie weiterziehen zu lassen " wie die Wolken am Himmel". Hierbei kann es helfen, sich bewußt auf den Atem zu konzentrieren, die Atemzüge zu zählen, sich ein Meditationsobjekt vor seinem inneren Auge vorzustellen, eine Kerze, eine Blüte, eine Buddhastatue, innerlich ein Mantra zu sprechen o. ä.

Meditation ist auch das Zentrum der Yogapraxis, und wir sagen, dass Yoga Meditation in Aktion ist. Einer der wichtigsten Yogaphilosophen Patanjali sagt im Anfang seiner Yoga-Sutren: Yoga ist jener innere Zustand, in dem die seelisch-geistigen Vorgänge zur Ruhe kommen:


YOGAS - CITTA - VRITTI - NIRODHA


Meditation zu lernen, bedeutet also schon grundsätzlich, unsere Achtsamkeit und Konzentration auf den Moment, auf den Atem, unser Meditationsobjekt zu richten. Ein weiterführender Weg, der über die Suche nach Ruhe und Konzentration durch Meditation hinausgeht, ist die Achtsamkeitsmeditation, und hier kommen wir nun zu einer tieferen Bedeutung des Begriffes Achtsamkeit. Die Achtsamkeitsmeditation heißt auch Vipassana (Einsicht in die drei Daseinsmerkmale: Unbeständigkeit, Nicht-Selbst, Leidhaftigkeit). Sie hat ihre Wurzeln in den buddhistischen Traditionen. Die Grundlage der Achtsamkeitspraxis ist im Satipatthana - Sutta beschrieben. Die vier Stufen der Achtsamkeit möchte ich hier anhand einer sehr schönen Übertragung des entsprechenden Textes des Satipatthana - Sutta darstellen:

Der Pfad der Achtsamkeit

O Mönche«, sagte der Buddha, »es gibt für den Menschen eine wunderbar hilfreiche Methode, sich zu reinigen, Kummer und Leid zu überwinden, Sorgen und Ängste loszuwerden, den richtigen Weg zu gehen und das Nirvana zu verwirklichen. Es ist die Methode der Vier Erweckungen der Achtsamkeit.

Was sind die Vier Erweckungen?
Ihr Mönche, bei der Meditation kommt es darauf an, den Körper aus sich selbst heraus zu betrachten, unvoreingenommen, klar bei Verstand, achtsam und frei von jedweder weltlichen Lust oder Unlust.
Es kommt darauf an, das Gemüt aus sich selbst heraus zu betrachten, unvoreingenommen, klar bei Verstand, achtsam und frei von jedweder weltlichen Lust oder Unlust.
Es kommt darauf an, den Geist aus sich selbst heraus zu betrachten, unvoreingenommen, nüchtern, achtsam und frei von jedweder weltlichen Lust oder Unlust.
Es kommt darauf an, die Geistobjekte aus sich selbst heraus zu betrachten, unvoreingenommen, nüchtern, achtsam und frei von jedweder weltlichen Lust oder Unlust.

Und wie betrachtet man den Körper aus sich selbst heraus?
Indem man sich hinaus in die Natur, unter einen Baum oder in ein leeres Zimmer setzt, Beine über Kreuz in der Lotosstellung, Rücken gerade, und in sich selbst hineinhört. Beim Einatmen achtet man auf das Einatmen und beim Ausatmen auf das Ausatmen. Dann atmet man lange ein und achtet auf das lange Einatmen und atmet lange aus und achtet auf das lange Ausatmen. Weiter atmet man kurz ein und achtet auf das kurze Einatmen und atmet kurz aus und achtet auf das kurze Ausatmen.
Dann geht man über zu folgender Übung: Beim Einatmen hört man hinein in seinen ganzen Körper. Beim Ausatmen hört man hinein in seinen ganzen Körper. Und dann: Beim Einatmen läßt man los und entspannt sich körperlich. Beim Ausatmen läßt man los und entspannt sich körperlich.
Außerdem achtet der Übende im Gehen auf das Gehen, im Stehen auf das Stehen, im Sitzen auf das Sitzen, im Liegen auf das Liegen. Ganz gleich, welche Körperhaltung man gerade einnimmt, man macht sich diese Körperhaltung bewußt.
Geht man vorwärts oder rückwärts, macht man sich sein Vorwärts- oder Rückwärtsgehen bewußt. Genauso achtet man beim Nachvorneschauen oder Sichumdrehen, Sichbücken oder Sichaufrichten genau auf das, was man tut. Man macht sich bewußt, daß man ein Gewand anhat oder daß man eine Almosenschale trägt. Wenn man ißt oder trinkt, kaut oder schmeckt, dann richtet man seine ganze Aufmerksamkeit darauf. Wenn man Kot oder Urin ausscheidet, dann richtet man seine ganze Aufmerksamkeit darauf. Ganz gleich, ob man geht, steht, liegt, sitzt, schläft oder wach ist, spricht oder schweigt, man widmet all dem seine ganze Aufmerksamkeit.

Ihr Mönche, wie beobachtet man das Gemüt aus sich selbst heraus?
Man hört in jedes angenehme Gefühl hinein und macht sich bewußt: ›Meine Empfindung ist angenehm.‹ Man hört in jedes unangenehme Gefühl hinein und macht sich bewußt: ›Meine Empfindung ist unangenehm.‹ Man hört in jedes neutrale Gefühl hinein und macht sich bewußt: ›Meine Empfindung ist neutral.‹ Ist die Empfindung körperlicher Art, macht man sich bewußt, daß man körperlich fühlt. Ist das Empfinden seelischer Art, macht man sich bewußt, daß man seelisch fühlt.

Mönche, wie beobachtet man den Geist aus sich selbst heraus?
Dies geschieht, indem man sich jeweils den Geisteszustand bewußtmacht, in dem man sich befindet. Begehrt man etwas, macht man sich den Zustand des Begehrens bewußt. Begehrt man nichts, macht man sich den Zustand des Nichtbegehrens bewußt.
Haßt man etwas, macht man sich den Zustand des Hassens bewußt. Haßt man nichts, macht man sich den Zustand des Nichthassens bewußt. Ist man unwissend, macht man sich den Zustand der Unwissenheit bewußt. Ist man wissend, macht man sich den Zustand des Wissens bewußt. Ist man geistig angespannt, macht man sich den Zustand der Anspannung bewußt. Ist man geistig nicht angespannt, macht man sich den Zustand der Nichtanspannung bewußt.
Ist man zerstreut, macht man sich den Zustand des Zerstreutseins bewußt. Ist man konzentriert, macht man sich den Zustand der Konzentration bewußt.
Ist man weitblickend, macht man sich den Zustand des Weitblicks bewußt. Ist man engstirnig, macht man sich den Zustand der Engstirnigkeit bewußt.
Ist man geistig ruhevoll, macht man sich den Zustand der Ruhe bewußt. Ist man geistig unruhig, macht man sich den Zustand der Unruhe bewußt.
Ist man geistig frei, macht man sich den Zustand der Freiheit bewußt. Ist man geistig unfrei, macht man sich den Zustand der Unfreiheit bewußt.

Wie, ihr Mönche, bleibt sich der Übende der Geistobjekte, nämlich der Vier Edlen Wahrheiten, bewußt?
Ein Übender macht sich angesichts des Leidens stets bewußt: ›Das ist Leiden.‹ Er macht sich angesichts der Entstehung des Leidens bewußt: ›Das ist die Entstehung des Leidens.‹ Angesichts der Aufhebung des Leidens macht er sich bewußt: ›Das ist die Aufhebung des Leidens.‹ Angesichts des Wegs, der zur Aufhebung des Leidens führt, macht er sich bewußt: ›Das ist der Weg, der zur Aufhebung des Leidens führt.‹

Ihr Mönche, wer sich sieben Jahre lang in den Vier Erweckungen der Achtsamkeit übt, der darf auf eine von zwei Früchten hoffen – auf die höchste Einsicht noch in diesem Leben, oder er kann, wenn ein Leidensrest zurückbleibt, die Frucht der Befreiung von der Wiedergeburt erlangen.

Aber was rede ich von sieben Jahren, Mönche, wer auch immer sich sechs, fünf, vier, drei oder zwei Jahre oder ein Jahr oder einen Monat in den Vier Erweckungen der Achtsamkeit übt, auch der darf auf eine von zwei Früchten hoffen – auf die höchste Einsicht noch in diesem Leben, oder er kann die Frucht der Befreiung von der Wiedergeburt erlangen.

Aber was rede ich von einem Monat, Mönche, wer auch immer sich eine Woche in den Vier Erweckungen der Achtsamkeit übt, auch der darf auf eine von zwei Früchten hoffen – auf die höchste Einsicht noch in diesem Leben oder die Frucht der Befreiung von der Wiedergeburt.«

Die Mönche waren von der Lehre des Buddha begeistert. Sie nahmen sie sich zu Herzen und begannen sie in die Tat umzusetzen.

Nach dem Satipatthana-Sutta [A]

Das Maha Satipatthana - Sutta und andere Schriften finden sich z. B. hier: www.palikanon.com.

Quelle: Jack Kornfield: Die Lehren Buddhas - Ein Brevier buddhistischer Weisheit - Knaur



Wenn wir dann durch unsere Meditationspraxis im Laufe der Zeit lernen, unseren Geist zur Ruhe zu bringen, das Gedankenkarussell, auch wenn vielleicht nur für einige kleine Momente, zu stoppen, können wir auch ruhig beginnen, die Achtsamkeit in den Alltag zu übertragen indem wir üben, bei allem was wir tun, unsere Achtsamkeit ganz darauf zu richten, beim Essen (vielleicht einmal schweigend essen, jeden Bissen ausführlich kauen, auf den Geschmack achten, nach jedem Bissen die Gabel aus der Hand legen, den nächsten Bissen erst nehmen, wenn ich ganz aufgegessen habe usw.) beim Radfahren, beim Abwasch, im Gespräch mit einem anderen Menschen, wenn wir am Schreibtisch sitzen, beim Zähneputzen usw. Natürlich aber können wir die kleinen Übungen zur Achtsamkeit auch sofort in unseren Alltag integrieren.
Wenn wir nun später noch einen Schritt weitergehen wollen, könnten wir vielleicht lernen, zwischendurch einfach einmal innezuhalten um uns zu fragen:

1. Wie ist meine körperliche Verfassung bei dem, was ich gerade tue (bin ich verspannt, fühle ich mich körperlich wohl)?
2. Wie sind meine Gefühle und Empfindungen bei dem, was ich gerade tue (positiv, negativ, neutral usw.)?
3. Wie ist mein Geisteszustand bei dem, was ich gerade tue (klar, verwirrt, unkonzentriert, abgelenkt usw.)?
4. Welche äußeren und inneren Objekte/Dinge nehme ich (möglichst nicht bewertend) momentan wahr ?

Der buddhistische Lehrer Thich Nhat Hanh empfiehlt, sich z. B. durch den Ton einer kleinen Glocke daran erinnern zu lassen, kurz innezuhalten. Er nennt es die Glocke der Achtsamkeit.

Es gibt eine Unterscheidung bei der Meditation: die oben beschriebene konzentrative Meditation, also die Konzentration auf den Atem, auf ein Meditationsobjekt o. ä. wird im Buddhismus als Samatha-Meditation bezeichnet (in Ruhe verweilen, ruhiges Verweilen), und die ebenfalls oben beschriebene Achtsamkeitsmeditation als Vipassana-Meditation bezeichnet (sehen, was wirklich ist, Einsicht, Klarsicht). Die Samatha-Meditation wird bei der Vipassana-Meditation, zumindest in der Tradition von Goenka, als Vorstufe gesehen.

Der buddhistische Lehrer Ajahn Chah sagte dazu in einem Gespräch, und ich zitiere aus dem Text "Gespräch mit Ajahn Chah", der frei im Internet zur Verfügung steht: "Es ist ganz einfach. Sammlung (samatha) und Weisheit oder Klarsicht (vipassanā) arbeiten Hand in Hand. Zuerst wird der Geist still, indem er sich an das Meditationsobjekt hält. Er ist nur ruhig, wenn du mit geschlossenen Augen sitzt. Das ist Samatha; doch schließlich ist diese Grundlage an Sammlung zugleich die Ursache für das Entstehen von Weisheit oder Vipassanā. Dann ist der Geist still, ob du mit geschlossenen Augen dasitzt oder in einer geschäftigen Stadt umhergehst. So ist es. Einst warst du ein Kind. Jetzt bist du ein Erwachsener. Sind das Kind und der Erwachsene dieselbe Person? Du kannst sagen, daß sie es sind, aber aus einer anderen Sichtweise kannst du sagen, daß sie verschieden sind. In diesem Sinne können Samatha und Vipassanā auch als getrennt angesehen werden. Oder es ist wie mit Nahrung und Exkrementen. Auch Nahrung und Exkremente können als gleich oder als verschieden bezeichnet werden. - Glaub nicht einfach, was ich sage, führe deine Übung fort und sieh selbst; es braucht nichts Besonderes. Wenn du untersuchst, wie Sammlung und Weisheit entstehen, wirst du die Wahrheit selbst herausfinden. Heutzutage haften viele Leute an Worten. Sie nennen ihre Übung Vipassanā. Auf Samatha blicken sie herab. Oder sie nennen ihre Übung Samatha. Es ist unerläßlich, Samatha vor Vipassanā zu üben, sagen sie. Das ist alles albern. Halte dich nicht damit auf, so zu denken. Mach einfach weiter mit deiner Übung, und du wirst selbst sehen."

Es gibt natürlich noch viele andere Meditationsformen. Ich möchte mich an dieser Stelle aber darauf beschränken, einige Dinge über die m. E. grundlegendste, ursprünglichste Meditationsform und den Begriff Achtsamkeit zu sagen.

Grundsätzlich wichtig ist für die beschriebenen, bzw. für alle Meditationsformen: Geduld, sehr viel Geduld, aufkommende Gedanken und unsere wahrgenommenen Zustände (ich kann mich gar nicht konzentrieren, ich bin heute ziemlich schläfrig, ich bin heute sehr ungeduldig usw.) nicht zu bewerten, sondern einfach wahrzunehmen, um nur einige m. E. wichtige Haltungen zu nennen. Wir müssen in der Meditationspraxis nichts leisten, dürfen Fehler machen, uns aber auch darüber freuen, wenn es während einer Meditationssitzung den einen oder anderen Moment gibt, in dem wir völlig in der Gegenwart sind.

Mitte der 90er Jahre hatte ich die Freude, Devdutt Pattanaik, Arzt und Buchautor aus Mumbai kennen zu lernen. Wir saßen einmal am Strand von Juhu Beach im Norden Mumbais in einem Cafe und Devdutt beschrieb mir in einem kleinen Vortrag Yoga und Meditation sehr plakativ: im Westen sind Eure Gedanken häufig wie ein im Galopp laufendes Wildpferd. Und es geht im Yoga und in der Meditation darum, das Pferd zu bändigen und zum Stillstand zu bringen. Im Buddhismus sprechen wir, gerne auch davon, dass unsere meistens unruhigen Gedanken wie wilde Affen herumspringen(Monkey mind).

Yoga und Meditation sind natürlich EINS, Yoga ist Meditation in Bewegung, und was Alan Watts oben sagt ist ja auch Yoga-Philosophie:
die unendliche, höchste, ewige Wirklichkeit, jenseits aller Merkmale und Eigenschaften (Brahman), die dann die Quelle von Sein, Weisheit und Glückseligkeit ist:

SAT - CHID - ANANDA



Auch Eckhart Tolle, einer der vielen Weisheitslehrer sagt: ES GIBT IMMER NUR DAS JETZT. Das ist in meinen Augen eine der ewigen Wahrheiten. Vielleicht kommen wir damit der Wirklichkeit schon ein wenig näher. Die Aussage meint letztlich, dass es keine Vergangenheit und keine Zukunft gibt. Die Vergangenheit besteht aus einer ewigen Reihe von abgelaufenen Momenten, Erinnerungen z. B., und die Zukunft besteht auch nur aus Momenten, solchen die erst noch kommen. Der jetzige Moment ist am reinsten, die Vergangenheit ist mit Eigenschaften, Merkmalen, Projektionen belegt und die Zukunft auch (Maya). Und wenn ich mir klar mache, dass jeder Moment einzigartig ist in unserem Leben und nie wiederkommt liegt es auf der Hand, sorgsam und achtsam mit jedem Moment umzugehen.
In der wunderbaren Geschichte von Tolstoi, "Die drei Fragen", kommt das auch nochmals gut zum Ausdruck. Kurz gesagt, geht es in dieser Geschichte darum, dass ein König Antworten auf die drei folgenden Fragen sucht:

1. Welche Zeit ist die wichtigste ?
2. Welcher Mensch ist der wichtigste ?
3. Welche Arbeit ist die wichtigste ?

Die Antworten gab ihm dann letztendlich ein weiser Einsiedler, nachdem mehrere gelehrte Männer keine Antworten geben konnten:

1. Die wichtigste Zeit ist der Augenblick, das Jetzt.
2. Der wichtigste Mensch ist der, mit dem ich in diesem Moment zusammen bin.
3. Die wichtigste Arbeit ist die, dem Menschen, mit dem wir im Moment zusammen sind, Gutes zu tun.

Die vollständige Geschichte ist an verschiedenen Stellen im Internet zu finden.

(c)Detlef Behnken

Glück - Unglück - Fragen - Entwicklungen

Was macht uns unglücklich? Nur eins:
Wir identifizieren uns mit dem Gedanken, dass die jeweils erlebte Situation oder ein emotionaler Zustand nicht so ist, wie er sein sollte.

Quelle: unbekannt



Viele Menschen wissen, dass sie unglücklich sind.
Aber noch mehr Menschen wissen nicht, dass sie glücklich sind.

Quelle: Albert Schweitzer, 1875 - 1965



Man muss den Dingen die eigene, stille ungestörte Entwicklung lassen, die tief von innen kommt und durch nichts gedrängt oder beschleunigt werden kann, alles ist austragen – und dann gebären…
Reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt und getrost in den Stürmen des Frühlings steht, ohne Angst, dass dahinter kein Sommer kommen könnte.
Er kommt doch! Aber er kommt nur zu den Geduldigen, die da sind, als ob die Ewigkeit vor ihnen läge, so sorglos, still und weit…
Man muss Geduld haben. Mit dem Ungelösten im Herzen, und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben, wie verschlossene Stuben, und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprachegeschrieben sind.
Es handelt sich darum, alles zu leben. Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich, ohne es zu merken, eines fremden Tages in die Antworten hinein.

von Rainer Maria Rilke



Es gibt nur zwei Tage in deinem Leben an denen du nichts ändern kannst. Der eine ist gestern und der andere ist morgen.

Quelle: Dalai Lama

Wo bist Du? Hier!

Wie spät ist es? Jetzt!

Wer bist Du? Dieser Moment!
Quelle: Dialog aus der Schlussszene des wunderbaren Filmes "Der friedvolle Krieger"

Über die Stille

"Heimkehr zur Wurzel heißt: Stille.
Stille heißt: Rückkehr zur Bestimmung.
Rückkehr zur Bestimmung heißt: Ewigkeit.
Erkennen des Ewigen heißt: Erleuchtung".
Quelle: Laotse, Tao Te King

Was immer du erwirbst, erwirbst du nur in der Stille, und göttlich ist nur, was im Schweigen geworden ist.
Quelle: Sören Kierkegaard, Kierkegaard - Philosophische Schriften

Ganz im Geheimen sprachen der Weise und ich.
Ich bat ihn: Nenne mir die Geheimnisse der Welt.
Er sprach: Schweig ... und lass dir von der Stille die Geheimnisse der Welt erzählen.

Und:
Je stiller du wirst, desto klarer siehst du.
Quelle: Rumi

Die Stille stellt keine Fragen, aber sie kann uns auf alles eine Antwort geben.
Ernst Ferstl, österreichischer Lehrer und Autor

Höre auf die Stille zwischen den Worten...
Quelle: unbekannt

Die größten Ereignisse - das sind nicht unsre lautesten, sondern unsre stillsten Stunden.
Quelle: Nietzsche, Werk: 'Also sprach Zarathustra'

Buddhistische, hinduistische und andere Legenden und Erzählungen
1. Der Edelstein
2. Der junge Mann und der Meister
3. Spiritueller Fortschritt

1. Ein alter Mönch wanderte durch die Berge zu seinem Ashram und fand in einem Flussbett einen großen Edelstein. Er nahm ihn mit und traf wenig später einen armen, hungrigen Mann. Um mit ihm sein Brot zu teilen, öffnete er seine Tasche, und der Mann sah den Stein und bat den Mönch, ihm den Edelstein zu schenken, was dieser ohne zu zögern tat.

Freudig ging der junge Mann seines Weges, denn er wusste, dass der Stein genug wert war, ihm für immer seinen Lebensunterhalt zu sichern. Wenige Tage später suchte er den Mönch jedoch in seinem Ashram auf und gab ihm den Stein zurück mit den Worten:

„Ich habe noch einmal darüber nachgedacht. Der Stein, den Du mir geschenkt hast, ist sehr wertvoll. Doch habe ich die Hoffnung noch etwas viel Wertvolleres von dir zu bekommen. Lehre mich das, was in dir ist und dich dazu fähig machte, mir diesen Stein zu schenken.“

2. Ein junger Mann reiste durch Indien und besuchte einen Guru, der für seine große Weisheit berühmt war. Der Guru lebte in einer kleinen Hütte, in der nichts weiter stand/lag als ein Tisch, ein Stuhl, und eine Schlaf- und Meditationsmatte.
"Meister, wo sind all deine Möbel?", fragte der junge Mann. "Wo sind deine?", fragte der Guru.
"Aber ich bin doch nur auf der Durchreise!". "Na siehst du", sagte der Meister, ich doch auch."

3. Ein Schüler unterrichtete seinen Meister regelmäßig über seinen spirituellen Fortschritt. Im ersten Monat schrieb er dem Meister: »Ich bin durch eine Bewusstseinserweiterung mit dem Universum eins geworden.« Der Meister überflog den Brief und warf ihn weg. Einen Monat später wusste der Schüler zu berichten: »Ich habe endlich erkannt, dass das Göttliche in allen Dingen gegenwärtig ist.« Der Meister wirkte enttäuscht. In seinem dritten Brief erklärte der Schüler begeistert: »Mir wurde in der Kontemplation das Geheimnis des Einen und Vielen offenbar.« Der Meister gähnte. Der nächste Brief lautete: »Geburt, Leben und Tod existieren nicht, denn es gibt kein Ich.« Der Meister schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Darauf verging ein Monat, dann wurden es zwei, fünf und schließlich ein ganzes Jahr. Der Meister fand es an der Zeit, seinen Schüler an die Pflicht seiner Berichterstattung zu erinnern. Der Schüler schrieb zurück: »Ich lebe einfach mein Leben. Wozu noch die spirituelle Praxis?« Als der Meister das las, rief er aus: »Gott sei Dank hat er es endlich begriffen.«
Quelle: 1. Buddhistische Legende, 2. unbekannt, 3. Jack Kornfield: Tor des Erwachens

www.yoga-behnken.de
05.12.2024
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©Detlef Behnken